In einem Urteil vom 16.12.2022 (418 HKO 22/22) beschäftigte sich das Landgericht Hamburg mit der Frage der Reichweite des Beurkundungsbedürfnisses gemäß § 15 Abs. 3, 4 GmbHG. Nach § 15 Abs. 3 GmbH bedarf die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH der Beurkundung. § 15 Abs. 4 erstreckt dieses Beurkundungsbedürfnis auf das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft, mit welchem sich der Gesellschafter einer GmbH zur Übertragung des Geschäftsanteils verpflichtet.
Die Beklagte ist eine GmbH. Gesellschafter der GmbH sind zwei Unternehmen. E. war alleiniger Gesellschafter eines der beiden Unternehmen und Mitgesellschafter des anderen Unternehmens. E. führte mit dem späteren Kläger Verhandlungen über die Beteiligung des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH. Die Verhandlungen zogen sich über längere Zeit hin und wurden zwischenzeitlich auch unterbrochen. Infolge eines Gesprächs zwischen E. und dem Kläger wurden Dokumente unterzeichnet. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, welche Dokumente im Einzelnen unterzeichnet wurden. Die Mitgesellschafter des E. in einem der die GmbH-Geschäftsanteile haltenden Unternehmen verweigerten in der Folge ihre Zustimmung zu einer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen auf den Kläger. Auch waren sie mit einer Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Gesellschaft sowie mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrags mit dem Kläger nicht einverstanden, fochten entsprechende Abstimmungen an und beschlossen vorsorglich eine Abberufung. Ein Geschäftsanteilskaufvertrag wurde nicht mehr beurkundet
Der Kläger nahm die beklagte GmbH auf Zahlung der Vergütung aus dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (einschließlich einer vereinbarten Gewinnbeteiligung) in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage ab.
Es könne offfenstehen, welche Vereinbarung zwischen E. bzw. der beklagten GmbH einerseits und dem Kläger andererseits geschlossen worden sei. Diese sei jedenfalls gemäß §§ 15 Abs. 4 GmbHG 125 BGB formunwirksam. Gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG bedürfe eine Vereinbarung, mit welcher sich eine Partei zur Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils verpflichte, der notariellen Beurkundung. Diese Formbedürftigkeit erstrecke sich auf den gesamten Vertrag. Nach dem sog. Vollständigkeitsgrundsatz erstrecke sich das Formerfordernis des § 15 Abs. 4 GmbHG auf alle Nebenabreden, die nach dem Willen der Parteien Bestandteil der Vereinbarung über die Verpflichtung zur Anteilsübertragung sein sollen. Entscheidend sei demnach, was die Parteien als wirtschaftlich notwendigerweise zusammenhängend betrachtet hätten. Das Formerfordernis beschränke sich folglich nicht lediglich auf den Teil der Vereinbarung, welcher die Verpflichtung zur Anteilübertragung selbst regele.
Im entschiedenen Fall war der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag grundsätzlich nicht beurkundungsbedürftig. Allerdings war der Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags nach dem Parteiwillen lediglich Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts, welches sich aus der Übertragung von Geschäftsanteilen an der GmbH und Bestellung zum Geschäftsführer zusammensetze.
Anmerkung: Die Entscheidung zeigt beispielhaft, dass bei Verhandlung komplexerer Vereinbarungen das Bestehen und der Umfang eines Beurkundungserfordernisses von Fall zu Fall sorgfältig zu prüfen sind. Gerade im Bereich von Beteiligungsvereinbarungen ist die Erstreckung von Beurkundungserfordernissen auf an sich formlos abzuschießende Vereinbarungen regelmäßig anzutreffen. Entsprechende Fragen stellen sich bei der Kombination von (beurkundungsbedürftigen) Grundstückskaufverträgen mit weitergehenden Vereinbarungen (etwa Bau- oder Mietverträgen).