Betriebsübergang kann Arbeitnehmern mehrere neue Teilzeitarbeitsverhältnisse bescheren

Am 26.03.2020 hat der EuGH (Rechtssache C-344/18) eine für die Praxis wichtige Entscheidung zum Betriebsübergang getroffen und die Planbarkeit von Unternehmenstransaktionen im Hinblick auf zu übernehmendes Personal noch unsicherer gemacht, als sie ohnehin schon war.

Am 26.03.2020 hat der EuGH (Rechtssache C-344/18) eine für die Praxis wichtige Entscheidung zum Betriebsübergang getroffen und die Planbarkeit von Unternehmenstransaktionen im Hinblick auf zu übernehmendes Personal noch unsicherer gemacht, als sie ohnehin schon war.

Der aus Belgien stammende Fall betraf eine Arbeitnehmerin, die bei dem privaten Unternehmen I. als Niederlassungsleiterin für die Planung und Kontrolle von Reinigungsarbeiten in verschiedenen Objekten (Museen, Bibliotheken, Verwaltungsgebäude), eingeteilt in drei verschiedene Lose, zuständig war. Die Stadt Gent, Eigentümerin der Objekte, schrieb die Reinigungsarbeiten 2013 neu aus. Der Arbeitgeber verlor den Auftrag; ab dem 01.09.2013 wurde die Reinigung der Lose 1 und 3 vom Unternehmen A. sowie die Reinigung des Loses 2 vom Unternehmen B. ausgeführt. A und B übernahmen jeweils diejenigen Reinigungskräfte, die schon zuvor in den Objekten tätig gewesen waren. Die Niederlassungsleiterin wurde weder von A noch von B übernommen; stattdessen erhielt sie eine Kündigung von ihrem bisherigen Arbeitgeber. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Klage.

Der Arbeitsgerichtshof Gent legte im Mai 2018 den Fall dem EuGH vor und bat um Klärung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang auf mehrere Erwerber anteilig auf alle Erwerber oder auf den Erwerber des Unternehmensteils übergeht, bei dem der Arbeitnehmer hauptsächlich beschäftigt war.

Der EuGH stellte zunächst – wie schon zuvor der Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen – fest, dass die europäische Betriebsübergangsrichtlinie (2001/23/EG) den Fall eines Übergangs auf mehrere Erwerber gar nicht regele. Zum Schutz des betroffenen Arbeitnehmers und im Interesse der beteiligten Erwerber sei die Richtlinie jedoch so auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis in einem solchen Fall aufgespalten werde und anteilig auf jeden der Erwerber übergehe, sofern dies nicht unmöglich oder vom Arbeitnehmer abgelehnt werde.

Die praktischen Schwierigkeiten dieser, vom EuGH als gerecht empfundenen Aufteilung des Arbeitsverhältnisses auf mehrere neuer Teilzeit-Arbeitsverhältnisse liegen auf der Hand.
Zumindest aus den Schlussanträgen des Generalanwalts geht jedoch hervor, dass nicht beabsichtigt ist, Beschäftigte aus Verwaltungseinheiten (sog. Overhead) zu den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern zu zählen, wenn die Verwaltung nicht Gegenstand der Transaktion war. Es dürfte daher zumindest auch in Zukunft dabei bleiben, dass lediglich die Arbeitnehmer, die einem übergehenden Betrieb(steil) angehören, Ansprüche aus § 613a BGB geltend machen können.

Die neue EuGH-Entscheidung erschwert allerdings die Feststellung, welche Arbeitnehmer einer wirtschaftlichen Einheit angehören. Im Fall der Niederlassungsleiterin stellte der Generalanwalt darauf ab, dass sie „zur selbständigen Gesamtheit der übergegangenen Arbeitnehmer“ gehört habe, für die sie sowohl am Einsatzort als auch am Betriebssitz tätig war.

Auch wird man die Fälle überdenken müssen, bei denen die wirtschaftliche Einheit im Rahmen der Übertragung aufgelöst wird, z.B. weil der Erwerber diese in die bei ihm vorhandenen Strukturen integriert. Insoweit birgt die Feststellung des EuGH, es sei für den Übergang der Rechte und Pflichten des Veräußerers aus dem Arbeitsvertrag unerheblich, ob die wirtschaftliche Einheit auf einen oder mehrere Erwerber übergehe, sobald die wirtschaftliche Einheit im Sinne der Richtlinie übergegangen sei, ein großes Risiko. Insbesondere ist nicht klar, ob es eine wirtschaftliche Einheit gibt, die dann zu mehreren wirtschaftlichen Einheiten beim jeweiligen Erwerber wird, oder ob bereits vor der Transaktion mehrere wirtschaftliche (Teil-)Einheiten vorhanden waren.