Urteil vom 13.11.2025 – B 12 BA 4/23 R
Mit Urteil vom 13.11.2025 (Az. B 12 KA 4/23 R) hat das BSG die Entscheidung der Vorinstanz (LSG Hessen, Urt. v. 28.07.2022, Az. L 8 BA 18/21) bestätigt und festgestellt, dass ein Arzt, der als Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis auf Grundlage eines Kooperationsvertrages ärztliche Leistungen für ein Krankenhaus erbringt, als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter anzusehen ist. Die Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Es liegt bisher nur der Terminsbericht vor.
Sachverhalt
Der Kläger ist einer von vier Gesellschaftern einer vertragsärztlich zugelassenen Gemeinschaftspraxis für Nephrologie und Rheumatologie in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Das beigeladene Krankenhaus ist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hat einen Versorgungsauftrag im Bereich der Inneren Medizin, verfügt aber nicht über Ärzte auf dem Fachgebiet der Nephrologie. Das Krankenhaus schloss mit der GbR einen Kooperationsvertrag über nephrologische Leistungen bei Patienten, die vollstationär, teilstationär oder ambulant versorgt werden. Die GbR verpflichtete sich zur Übernahme der angeforderten Leistungen durch ihre Gesellschafter oder von ihr angestellte Ärzte mit entsprechender Qualifikation. Rechtsgrundlagen der Kooperation waren die für das Krankenhaus geltenden Rechtsvorschriften. Die GbR war grundsätzlich verpflichtet, die von dem Krankenhaus vorgehaltenen Mittel zu verwenden und die zur Abrechnung notwendigen Auskünfte zu erteilen, aber die eigene Dienstkleidung einzusetzen. Das Krankenhaus vergütete die Leistungen der GbR durch Pauschalen bei Dialyseleistungen oder auf der Basis der Gebührenordnung für Ärzte . Die GbR bestimmte selbst, welcher der Ärzte der GbR die jeweils vom Krankenhaus angeforderten Leistungen erbringen sollte.
Die beklagte Rentenversicherung (DRV) stellte fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei dem Krankenhaus aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses der Versicherungsflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Das Sozialgericht hatte diese Verwaltungs-entscheidung aufgehoben. Das Landessozialgericht hatte die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers beim Bundessozialgericht war nicht erfolgreich.
Entscheidung des BSG:
Der Beschäftigung des Klägers stehe nicht entgegen, dass der Kooperationsvertrag mit der GbR geschlossen worden ist. Er hafte als Gesellschafter akzessorisch für die Verbindlichkeiten der Außen-Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 128 Handelsgesetzbuch (hier alter Fassung). Die Umstände der Tätigkeit sprächen nicht überwiegend für eine selbstständige Dienst- oder Werkleistung der GbR, die den Kläger als Erfüllungsgehilfen eingesetzt hätte. Nach der Rechtsprechung des Gerichts seien Honorarärzte in einem Krankenhaus wegen der dort geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen regelmäßig abhängig beschäftigt. Bei den Einsätzen des Klägers bestand ein mit einem Honorararzt vergleichbarer Grad der Eingliederung in das Krankenhaus. Er erbrachte die Leistungen bei Krankenhauspatienten und war grundsätzlich unter Verwendung der dort vorgehaltenen Mittel tätig. Für den Einsatz standen ihm die Einrichtungen und das medizinische Personal ohne Nutzungsentgelt zur Verfügung. Bei Meinungsverschiedenheiten hatte das Krankenhaus ein Letztentscheidungsrecht. Das Recht der GbR, selbst zu bestimmen, welcher Arzt der GbR die jeweilige Leistung erbringt, hat das BSG nicht als ausreichend angesehen, um die Tätigkeit als selbstständig zu qualifizieren.
Praxistipp:
Der Terminsbericht lässt erkennen, dass sich die Entscheidung in die Rechtsprechung einfügt, mit der unterschiedliche Kooperationsformen zwischen ambulanten Leistungserbringern und Krankenhäusern zunehmend der Sozialversicherungspflicht unterstellt werden (siehe u.a. Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R zur Scheinselbstständigkeit von Honorarärzten). Als maßgeblich für die Unselbstständigkeit der Tätigkeit wird immer wieder auf die Eingliederung des jeweiligen Arztes in die Organisation des Krankenhauses abgestellt, insbesondere, wenn wie hier die ärztlichen Leistungen gegenüber den Krankenhauspatienten grundsätzlich unter Verwendung der dort vorgehaltenen Mittel erbracht werden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidungsgründe noch Spielraum für die Rechtsform der GmbH belassen oder für die Konstellation, bei denen die Ärzte eigenes Personal stellen. Jedenfalls sollten Krankenhäuser, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ in der Rechtsform der GbR oder der GmbH ihre bestehenden und geplanten Kooperationsverträge sorgfältig überprüfen lassen, um auch ein strafrechtliches Risiko des § 266a StGB auszuschließen.
Zur Beratung im konkreten Einzelfall stehen Ihnen die Rechtsanwälte der M&P Dr. Matzen & Partner mbB gern zur Verfügung.