Das Finanzgericht Münster (AZ: 9 V 2341/21 K) hat im Rahmen eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids klargestellt, dass die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe bei der Berechnung der Haftungsquote nicht einzubeziehen ist, da die Soforthilfe zweckgebunden und damit nicht pfändbar sei.
Die Antragstellerin war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer nunmehr insolventen Unternehmergesellschaft (UG). Das Finanzamt wertete Gehaltszahlungen der UG an die Antragstellerin als verdeckte Gewinnausschüttungen, wodurch eine Steuerlast entstanden ist, für die die Antragstellerin als Geschäftsführerin der UG gem. § 69 AO in Haftung genommen wurde. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob sie deshalb Klage und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids. Zur Begründung führte sie an, dass die Corona-Soforthilfe in Höhe von € 9.000,00, welche die UG erhalten habe, nicht für Steuerzahlungen zu verwenden gewesen sei und sie sich darüber hinaus durch das zum damaligen Zeitpunkt geltende COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz vor einer Inanspruchnahme geschützt wähnte. Des Weiteren hätte sie ohne die überraschenden Steuernachzahlungen infolge der Wertung der Gehaltszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung keinen Insolvenzantrag stellen müssen. Von den im Haftungszeitraum getätigten Ausgaben entfielen € 2.300,00 auf die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe.
Das FG Münster gab der Antragstellerin teilweise Recht. Als Geschäftsführerin der UG hafte sie zwar nach § 69 AO, könne im vorliegenden Fall jedoch nur für 35 % der rückständigen Steuern in Anspruch genommen werden, da die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe in die Gesamtverbindlichkeiten und in die bezahlten Verbindlichkeiten der UG nicht einzubeziehen ist, da die Soforthilfe zweckgebunden und damit nicht pfändbar sei. Mithin dürfe diese auch nicht für die Tilgung alter Steuerschulden verwendet werden. Bei Außerachtlassen des Rückzahlungsbetrags wäre die UG in der Lage gewesen, 35 % der Gesamtverbindlichkeiten zu tilgen.
Nichtsdestotrotz stünde das COVInsAG nach Auffassung des Gerichts einer Inanspruchnahme der Antragstellerin nach § 69 AO grundsätzlich nicht entgegen, da die Insolvenzreife der UG nach Angaben der Antragstellerin nicht pandemiebedingt gewesen sei, sondern auf die mit der verdeckten Gewinnausschüttung einhergehenden unerwarteten Steuerverbindlichkeiten beruhe und § 69 AO auch nicht durch das COVInsAG ausgesetzt wurde.