Vertragsarzt muss Sprechstundenbedarfsverordnungen persönlich zeichnen

Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.08.2025 – B 6 KA 9/24 R

Im Streit stand die Feststellung eines sonstigen Schadens, da der klagende Facharzt für Innere Medizin in den Quartalen 1/2015 bis 2/2018 Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnete. Vielmehr kam ein Unterschriftenstempel zum Einsatz. Auf Antrag einer beigeladenen Krankenkasse setzte die Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von rund € 490.000,00 fest. Widerspruch und Klage dagegen waren ohne Erfolg geblieben.

Der Kläger rügte mit seiner Sprungrevision die Verletzung von Verfassungs- und Bundesrecht. Insbesondere fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage, da § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genüge. Letztlich seien auch die Tatbestandvoraussetzungen für die Feststellung eines sonstigen Schadens nicht erfüllt und die Regressfestsetzung stelle sich als treuwidrig und unverhältnismäßig dar.

Die Sprungrevision des klagenden Facharztes ist beim BSG ohne Erfolg geblieben. Zu Recht habe der beklagte Beschwerdeausschuss gegen den Kläger einen Regress in Höhe von rund € 490.000,00 festgesetzt, weil der Arzt Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnet habe, sondern stattdessen ein Unterschriftenstempel zum Einsatz kam.

Zutreffend sei das Sozialgericht davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage des festgesetzten Regresses § 48 Abs. 1 BMV-Ä in Verbindung mit § 15 der landesrechtlichen Prüfvereinbarung ist. Danach werde der sonstige durch einen Vertragsarzt verursachte Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder – wie hier – aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entsteht, durch die Prüfungseinrichtungen festgestellt.

Die Voraussetzungen für die Feststellung eines solchen sonstigen Schadens habe das Sozialgericht zutreffend bejaht. Der Kläger habe die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt. Die persönliche Unterschrift des Arztes – jetzt die qualifizierte elektronische Signatur – sei wesentlicher Bestandteil der Gültigkeit einer Verordnung. Nur mit einem Unterschriftenstempel versehene Verordnungen könnten diese hohen Qualitätsanforderungen und die Gewähr für die Richtigkeit und vor allem Sicherheit der Auswahl des verordneten Arzneimittels nicht erfüllen. Dem Kläger falle auch Verschulden zur Last, da er die Regularien der persönlichen Unterzeichnung jeglicher Art von ärztlichen Verordnungen kennen müsse und diese nicht eigenmächtig ändern dürfe.

Die Festsetzung des Regresses verstoße weder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben noch sei sie unverhältnismäßig, zumal der Regress der Summe der in den 14 vorgenannten Quartalen unrichtig ausgestellten Sprechstundenbedarfsverordnungen entspreche.

Praxistipp: Mit seinem Urteil hat das Bundessozialgericht – erneut – die Bedeutung der sozialrechtlichen (Form-)Vorgaben für die rechtswirksame Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen sowie des Sprechstundenbedarfs hervorgehoben. Schon vorab hatte das Gericht entschieden, dass § 48 Abs. 1 BMV-Ä auf § 82 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 SGB V beruhe und damit den Prüfgremien der Selbstverwaltung auch Schadensfeststellungskompetenz zukomme. Vertragsärzte sind daher gut beraten, ihre Verordnungen persönlich zu zeichnen und nicht Dritte wie etwa das Praxispersonal dazu zu ermächtigen.