Vertragsstrafe im Arbeitsverhältnis mit Weiterbildungsassistentin

Eine Gemeinschaftspraxis schloss zum 01.02.2016 einen Arbeitsvertrag mit einer ärztlichen Weiterbildungsassistentin, der mit Wirkung vom 01.01.2017 auf ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) übertragen wurde. Vorgesehen war zunächst eine 5-monatige Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen. Anschließend sollte die ordentliche Kündigung für die Dauer der Weiterbildung für beide Vertragsparteien ausgeschlossen sein. Im Fall der vorzeitigen Kündigung durch die Arbeitnehmerin sollte diese eine Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern zahlen.

Mit Schreiben vom 29.01.2018 kündigte die Arbeitnehmerin den Vertrag zum 28.02.2018 aus persönlichen Gründen. Die Arbeitgeberin forderte die Zahlung der Vertragsstrafe und rechnete diese teilweise gegenüber dem Gehaltsanspruch der Arbeitnehmerin auf.

Mit Urteil vom 20.10.2022 (8 AZR 332/21) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass der Gehaltsanspruch der Arbeitnehmerin nicht durch Aufrechnung erloschen sei. Die Arbeitgeberin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, denn diese Regelung sei wegen unangemessener Benachteiligung der Arbeitnehmerin unwirksam. Ob die Auflösung des Vertrags aus persönlichen Gründen vertragswidrig im Sinne der Regelung war, ließ das BAG ausdrücklich offen.

Die von der Arbeitgeberin vorformulierten Vertragsregelungen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB dar. Die Vertragsstrafenregelung war nach Ansicht des BAG hinreichend transparent und nicht als überraschend anzusehen. Das Gericht hielt die Regelung allerdings dennoch für unwirksam, weil sie die Arbeitnehmerin der Höhe nach unangemessen benachteilige: Die Vertragsstrafe führe zu einer Übersicherung der Arbeitgeberin, da sie diese berechtige, von der Arbeitnehmerin auch bei einer Kündigung unmittelbar im Anschluss an die Probezeit pauschal drei Bruttomonatsgehälter zu fordern. Es spiele keine Rolle, dass die Kündigung im vorliegenden Fall erst später erfolgte, denn auf den konkreten Einzelfall käme es nicht an.

Eine allgemeine Obergrenze für Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen gibt es nicht, wie das BAG ausdrücklich ausführte. Es komme vielmehr jeweils im Einzelfall darauf an, ob der/die Mitarbeitende durch die Höhe der Vertragsstrafe benachteiligt werden. Hierzu seien die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner abzuwägen. Das Interesse der Arbeitgeberin an der Einhaltung des langfristigen Kündigungsausschlusses rechtfertige die hohe Vertragsstrafe vorliegend nicht, denn bereits der Kündigungsausschluss an sich beeinträchtige die betroffene Arbeitnehmerin stark. Auch der Aufwand der ausbildenden Ärzte durch Überwachung der Weiterbildung und Prüfung der Weiterbildungsnachweise rechtfertige die Höhe der umstrittenen Vertragsstrafe nicht, jedenfalls nicht für den gesamten Zeitraum des Kündigungsausschlusses, so das BAG: Zu Anfang seien die Aufwendungen der ausbildenden Ärzte überschaubar gewesen. Außerdem wäre bei einer Kündigung während der Probezeit von fünf Monaten – selbst bei vertragswidriger Lösung vom Vertrag – überhaupt keine Vertragsstrafe angefallen. Ob die Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu einem späteren Zeitpunkt des Weiterbildungsverhältnisses als angemessen angesehen werden könne, ließ das BAG offen.

Fazit

Die Vereinbarung einer pauschalen Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag kann sinnvoll sein, weil dadurch der Nachweis eines konkret entstandenen Schadens entfällt. Bei Gestaltung der entsprechenden Regelung und Bezifferung der Höhe der Vertragsstrafe ist Sorgfalt ratsam, denn eine zu hohe Vertragsstrafe wird nicht etwa durch die Gerichte herabgesetzt; die Regelung ist schlichtweg unwirksam.

Dr. Monika Schmidt