Aus der Praxis: Der Zulassungsverzicht zu Gunsten der Anstellung in einem MVZ

Neuste Studien zeigen, dass Vertragsärzte zunehmend den Weg in die Anstellung wählen, um den immer höher werdenden Anforderungen an die ärztliche Selbstständigkeit zu entgehen. Dabei erfolgt häufig ein Verzicht auf die Zulassung zu Gunsten der Anstellung in einem MVZ oder bei einem Vertragsarzt. Der nachfolgende Beitrag erläutert die rechtlichen Voraussetzungen, die an diesen Prozess geknüpft sind, und die diesbezüglichen Risiken für den neuen Arbeitgeber.

Ein Vertragsarzt kann auf seine Zulassung zu Gunsten seiner Anstellung bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gemäß § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V verzichten. Erklärt der Vertragsarzt seinen Verzicht, um in dem MVZ angestellt zu werden, so hat der Zulassungsausschuss die Anstellung in dem MVZ zu genehmigen. Die Zulassung geht durch diesen Verzicht auf das MVZ über, das den verzichtenden Arzt dann anstellt. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für den Verzicht zu Gunsten der Anstellung bei einem Vertragsarzt gemäß § 103 Abs. 4b S. 1 SGB V.

Beim Zulassungsverzicht und der nachfolgenden Anstellung gibt es seit dem Urteil des BSG vom 04.05.2016 (B 6 KA 21/15 R) eine zulassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Besonderheit, die bei jedem Verzicht zu Gunsten einer Anstellung zu beachten ist:

Der verzichtende Vertragsarzt muss im Zeitpunkt des Verzichts die Absicht haben, mindestens drei Jahre angestellt in dem MVZ tätig zu sein. Endet die Anstellung vor Ablauf dieser drei Jahre, kann dem MVZ die Nachbesetzung der Arztstelle ganz oder teilweise verwehrt werden.

Doch wie verhält es sich, wenn sich die Lebensumstände beim verzichtenden Vertragsarzt während der dreijährigen Anstellung verändern?

Das BSG hat klargestellt, dass eine wirksame Nachbesetzung vor Ablauf der drei Jahre davon abhänge, ob erstens der ursprünglich zugelassene Arzt beim Verzicht der Zulassung tatsächlich drei Jahre tätig sein wollte und zweitens diese Absicht aufgrund unvorhergesehener Umstände, die entsprechend zum Zeitpunkt des Verzichts nicht bekannt gewesen seien, nicht mehr zu realisieren sei.

Hierzu gibt es bisher nicht viel Rechtsprechung. Unvorhersehbare Umstände werden vom Zulassungsausschuss nach bisherigen Erfahrungswerten nur dann anerkannt, wenn der verzichtende Vertragsarzt während der Anstellung erkrankt oder sich aus zwingenden Gründen seine Berufs- und Lebensplanung geändert haben. Ist der Arzt erkrankt, so wird z.B. die Vorlage eines „erweiterten Attests“ gefordert, aus dem sich die Diagnose und der Zeitpunkt der Erkrankung nach dem Anstellungsdatum ergibt. Zuletzt hatte das SG Berlin in seinem Urteil vom 30.09.2020 (S 87 155/18) entgegen dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin entschieden, dass zwingende berufliche Gründe in dem Fall vorgelegen hätten, in dem einer Vertragsärztin während der dreijährigen Anstellung nach Verzicht zu Gunsten Anstellung eine externe Karrierechance eröffnet worden sei, die sie aus nachvollziehbaren Gründen (Vollzeitanstellung und Spezialisierung) angenommen habe.

Das BSG fordert, dass die Anforderungen an den Nachweis der Umstände strenger zu bewerten sind, je kürzer der verzichtende Vertragsarzt angestellt gewesen sei. Für den Fall, dass die Absichten zum Zeitpunkt der Einstellung sowie der Eintritt der unvorhergesehenen Umstände nicht nachvollziehbar dargelegt werden könnten, gehe das zu Lasten des an der Nachbesetzung interessierten MVZ, dem die Anstellungsgenehmigung sodann wieder entzogen werde.

Praxishinweis:

Die strenge Bewertung der Rechtsprechung zur Nachbesetzung vor Ablauf der dreijährigen Anstellung eines Vertragsarztes, der zu Gunsten der Anstellung in einem MVZ auf seine Zulassung verzichtet hat, verdeutlicht, dass eine vorausschauende Planung schon im Due Diligence-Prozess sowie eine offene Kommunikation und insbesondere vertragliche Vereinbarungen mit dem verzichtenden Vertragsarzt unerlässlich sind.

Arbeitsrechtlich ist sicherzustellen, dass der Anstellungsvertrag eine Mindestlaufzeit von drei Jahren umfasst.

Gern sind wir Ihnen bei der Vertragsgestaltung behilflich.