BSG ordnet Nachrangigkeitsregelung für MVZ als Ausschlussregelung ein

Mit Urteil vom 25.10.2023 (B 6 KA 26/22 R) hat das Bundessozialgericht in einem obiter dictum ausgeführt, dass die sog. Nachrangigkeitsregelung in § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V für ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, beim Auswahlverfahren in gesperrten Planungsbereichen wie eine Ausschlussregelung zu verstehen ist.

Zwar fand die Nachrangigkeitsregelung in dem konkreten Fall bei einem Zulassungsverfahren wegen partieller Entsperrung gar keine Anwendung. Dennoch hat der 6. Senat die Entscheidung zum Anlass genommen, um sein Verständnis von der Auslegung der Nachrangigkeitsregelung darzulegen. Die Entscheidung ist dabei nicht nur für investorengeführte MVZ GmbH relevant, sondern sie betrifft auch die in Deutschland hohe Anzahl von MVZ GmbH, deren Gesellschafter „ehemalige Vertragsärzte“ sind. Dabei geht es um Vertragsärzte, die zu Gunsten ihrer eigenen MVZ GmbH auf ihre Zulassung verzichtet haben, um in der Rechtsform der GmbH tätig sein zu können.

Die in § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V enthaltene Nachrangigkeitsregelung lautet:

„Absatz 4 gilt mit der Maßgabe, dass bei der Auswahl des Praxisnachfolgers ein medizinisches Versorgungszentrum, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem medizinischen Versorgungszentrum als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist.“

In seinem obiter dictum hat der 6. Senat ausgeführt, dass diese Nachrangigkeitsregelung wie eine Ausschlussregelung zu verstehen ist.

Nach den Vorgaben des § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V könne einem MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht bei Ärzten (Anm.: gemeint sind wohl Vertragsärzte) liege, der Zuschlag für einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz nur dann erteilt werden, wenn sich hierauf keine anderen geeigneten Bewerber – also weder ein nicht nachrangiges MVZ noch ein Vertragsarzt – bewerben; das Auswahlermessen der Zulassungsgremien sei insoweit eingeschränkt.

Bei der Nachrangigkeitsregelung handele es sich somit nicht um ein weiteres Kriterium, das die Zulassungsgremien im Auswahlverfahren nach ihrem Ermessen zu berücksichtigen haben. Vielmehr hat das BSG ausgeführt, dass es sich um eine Regelung handelt, nach welcher einer bestimmten Gruppe von MVZ bei der Auswahlentscheidung nicht die gleiche Stellung wie den übrigen Bewerbern eingeräumt werde.

Sowohl aus dem Sinn und Zweck der Norm – nämlich die freiberufliche ärztliche Tätigkeit zu schützen – wie auch aus dem Wortlaut ergebe sich, dass nachrangig hier im Sinne von „zweitrangig“ zu verstehen sei.

Fazit: Für sog. Investoren-MVZ hat das Urteil dann keine Auswirkungen, wenn die „Übernahme“ von Zulassungen durch einen sog. share deal erfolgt, indem die Anteile an einer MVZ GmbH erworben werden. Dabei findet kein Auswahlverfahren statt.

Ebenso findet kein Auswahlverfahren statt, wenn ein Vertragsarzt zu Gunsten eines MVZ auf seine Zulassung verzichtet, um sich dort anstellen zu lassen. Dies ist allerdings verbunden mit der Verpflichtung, dass der verzichtende Arzt mind. drei Jahre in dem MVZ angestellt bleiben muss.

Leider hat sich das BSG jedoch nicht zu der Frage geäußert, wie MVZ in der Rechtsform der GmbH zu behandeln sind, die seit jeher vertragsärztlich und ohne Einfluss von Investoren geführt werden und bei denen die Vertragsärzte als Gesellschafter des MVZ nur deshalb auf ihre Zulassung verzichtet haben, um das MVZ in der Rechtsform der GmbH führen zu können. Zwar findet der Wortlaut der Vorschrift auf diese Konstellation ebenso Anwendung. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift – nämlich dem Schutz der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit vor Verdrängung durch Kapitalgesellschaften – müssten diese MVZ jedoch von der Nachrangigkeitsregelung ausgenommen sein.