Prüfpflichten des Händlers beim Vertrieb von Medizinprodukten oder Zubehör von Medizinprodukten

Am 19.01.2023 entschied das OLG Celle (Urteil vom 19.01.2023, Az. 13 U 79/21) über den Umfang der Prüfpflichten eines Händlers im Hinblick auf die angebrachte CE-Kennzeichnung und die EU-Konformitätserklärung von Medizinprodukten bzw. Zubehör von Medizinprodukten vor deren Bereitstellen auf dem Markt.

Am 19.01.2023 entschied das OLG Celle (Urteil vom 19.01.2023, Az. 13 U 79/21) über den Umfang der Prüfpflichten eines Händlers im Hinblick auf die angebrachte CE-Kennzeichnung und die EU-Konformitätserklärung von Medizinprodukten bzw. Zubehör von Medizinprodukten vor deren Bereitstellen auf dem Markt.


Geklagt hatte ein Medizinproduktehersteller von Dentalbedarf gegen einen Wettbewerber. Letzterer vertreibt in Deutschland für ein italienisches Unternehmen einen ölfreien Trockenluftkompressor zur Erzeugung von Druckluft. Dieser Kompressor ist ausweislich der Gebrauchsanweisung auch im Rahmen einer zahnmedizinischen Behandlung einsetzbar. Der Kompressor ist mit einer CE-Kennzeichnung versehen. Die dazugehörige EU-Konformitätserklärung bestätigt die Einhaltung der Regelungen der Europäischen Richtlinie 2006/42/EG über Maschinen. Eine EU-Konformitätserklärung nach der Europäischen Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte („MDR“) lag nicht vor. Die Klägerin wandte sich gegen den Vertrieb dieses Kompressors, da keine EU-Konformitätserklärung nach der MDR vorlag und die Beklagte insbesondere hätte erkennen müssen, dass es sich um ein Produkt einer höheren Risikoklasse handelte.


Aufgrund des möglichen Einsatzbereichs des in Rede stehenden Kompressors bejahte das Gericht die medizinische Zweckbestimmung und stufte den Kompressor als Zubehör eines Medizinprodukts im Sinne von Art. 2 Nr. 2 MDR ein. Händler von Medizinprodukten bzw. Zubehör von Medizinprodukten treffen beim Bereitstellen eines solchen Produkts auf dem Markt bestimmte Pflichten, welche Art. 14 MDR regelt. Hinsichtlich der CE-Kennzeichnung hat der Händler danach mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, ob das Produkt eine solche trägt und ob eine EU-Konformitätserklärung für das Produkt ausgestellt wurde (vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. a) MDR). Das OLG Celle setzt für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflicht einen zweistufigen Maßstab („formelle Prüfung“) an: In einem ersten Schritt muss der Händler zunächst anhand der Gebrauchsanweisung des Produkts prüfen, ob es sich um ein Medizinprodukt oder Zubehör eines Medizinprodukts handelt. Ist dies der Fall, muss der Händler in einem zweiten Schritt prüfen, ob das Produkt eine entsprechende CE-Kennzeichnung trägt und die EU-Konformitätserklärung nach der MDR ausgestellt worden ist. Der Händler muss dabei über ein gewisses Grundwissen in Bezug auf die gesetzlichen Anforderungen verfügen. Dagegen braucht der Händler vor dem Bereitstellen eines Medizinprodukts bzw. Zubehörs eines Medizinprodukts regelmäßig nicht zu prüfen, ob die aus einer ausgestellten EU-Konformitätserklärung ersichtliche Risikoklassifizierung zutrifft („materielle Prüfung“). Dies fällt in den Verantwortungsbereich des Herstellers.


Die Entscheidung des OLG Celle ist zu begrüßen. Es ist dem Händler zumutbar und entspricht auch der ihm bereits auferlegten Sorgfaltspflicht, die in der Gebrauchsanweisung eines von ihm zu vertreibenden Produkts aufgeführten Anwendungsbereiche sorgfältig zu prüfen und insbesondere die Vollständigkeit der vorhandenen Unterlagen (insbesondere CE-Kennzeichnung und Konformitätserklärungen) zu erkennen.