Digitale Gesundheitsanwendungen – der Weg in die Regelversorgung

Das Digitale Versorgungsgesetz, mit dem insbesondere der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung und Erstattung mit digitalen Gesundheitsanwendungen („diGA“) eingeführt wurde (§ 33a SGB V), ist nun seit dem 19. Dezember 2020 in Kraft. Das Bundesministerium für Gesundheit hat Mitte Januar seinen Referentenentwurf zu einer „Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der GKV“ (Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung -„DiGAV“) vorgelegt.

Inhaltlich konkretisiert die DiGAV die Anforderungen an das Verfahren zur Aufnahme von diGA in das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte („BfArM“) zu etablierende „Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen“ (§ 139e SGB V). Neben den Prüfanforderungen trifft die DiGAV Regelungen zu den anfallenden Gebühren und Auslagen sowie zu dem Schiedsverfahren. Weiterhin enthält die DiGAV zwei Anlagen in Form von Fragebögen für den Hersteller, welche zum einen Angaben zum Datenschutz und zur Datensicherheit (Anlage 1) und zum anderen Angaben an die geforderte Qualität (z.B. Interoperabilität, keine Werbung, Nutzerfreundlichkeit etc.) verlangen. Die Erklärungen des Herstellers in den beiden Fragebögen sind Bestandteil der dem Antrag beizufügenden Nachweise.

Verfahrensablauf beim BfArM; Struktur des diGA-Verzeichnisses

Der Antrag auf Aufnahme in das Verzeichnis für diGA ist elektronisch beim BfArM zu stellen.
Antragsberechtigt ist entweder der Hersteller oder ein von ihm bevollmächtigter Dritter.

Das BfArM prüft zunächst die formale Rechtmäßigkeit der CE-Zertifizierung des Herstellers. Es führt in der Regel jedoch keine erneute Prüfung der Erfüllung der Anforderungen an Funktionstauglichkeit und Sicherheit des Medizinprodukts durch (vgl. DiGAV-RefE, S. 53). Lediglich bei Zweifeln ist das BfArM dazu berechtigt, zusätzliche Prüfungen vorzunehmen (§ 4 Abs. 2 DiGAV-RefE).

Der Hersteller kann vor Antragstellung ein Beratungsgespräch beim BfArM durchlaufen (§ 27 DiGAV-RefE). Die Gebühren reichen von € 250,00 bis € 5.000,00 (§ 31 DiGAV-RefE). Inhaltlich berät das BfArM zu allgemeinen Fragen rund um Funktionstauglichkeit, Sicherheit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit sowie zu den Anforderungen an den Nachweis positiver Versorgungseffekte und zu Methoden und Verfahren der Evidenzgenerierung (vgl. DiGAV-RefE, S. 74).

Die Entscheidung des BfArM über die Aufnahme in das diGA-Verzeichnis ergeht bei Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen innerhalb von drei Monaten in Form eines Bescheides gegen den der Rechtsweg offen steht.

Das BfArM hat das diGA-Verzeichnis (§ 26 DiGAV-RefE) vollständig elektronisch zu führen. Es ist nach Funktionen und Anwendungsbereichen zu strukturieren und richtet sich gleichermaßen an Patienten und Leistungserbringer. Damit soll das diGA-Verzeichnis umfänglich und neutral über die angebotenen diGA informieren und alle für eine Verordnungs- bzw. Nutzungsentscheidung relevanten Informationen enthalten.

Nachweis positiver Versorgungseffekte

Um in die Regelversorgung zu gelangen, muss der Hersteller einer diGA deren „positive Versorgungseffekte“ nachweisen. Positive Versorgungseffekte sind entweder ein medizinischer Nutzen oder patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung (§ 14 Abs. 1 DiGAV-RefE).

Als medizinischer Nutzen gilt der patientenrelevante therapeutische Effekt insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens oder einer Verbesserung der Lebensqualität (§ 14 Abs. 2 DiGAV-RefE). Diese Definition entspricht der Definition des Nutzens eines Arzneimittels gem. § 2 Abs. 3 Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung.

Bei der Darlegung der positiven Versorgungseffekte durch den Hersteller ist auch die relevante Patientengruppe anzugeben (§ 15 DiGAV-RefE). Die Angabe der Indikation/en hat über die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM) zu erfolgen.

Weitere Konkretisierungen zur Darlegung des Nachweises positiver Versorgungseffekte hat das BfArM in einem noch zu erstellenden Leitfaden festzulegen. Der Nachweis wird insbesondere durch vergleichende Studien zur Anwendung oder Nichtanwendung der diGA geführt (§ 16 Abs. 1 DiGAV-RefE).

Das BfArM trifft im Hinblick auf das Vorliegen eines hinreichenden Nachweises eine Abwägungsentscheidung. Dabei sollen insbesondere die Besonderheiten der Indikation, das Risiko der diGA sowie die vorhandenen oder nicht vorhandenen Versorgungsalternativen Berücksichtigung finden (§ 18 DiGAV-RefE).

Ausblick

Der mit Spannung erwartete Referentenentwurf lässt noch einige Fragen offen bzw. verlagert die Konkretisierung im Hinblick auf die Erbringung der Nachweise positiver Versorgungseffekte auf das BfArM. Daher bleibt abzuwarten, nach welchen Kriterien das BfArM in seinem Leitfaden festlegen wird, wie diGA-Hersteller die Vergleichsstudien durchzuführen haben.

Des Weiteren bleibt unklar, nach welchen Maßstäben die ärztliche Verordnung einer diGA ablaufen soll, wenn es mehrere vergleichbare diGA für dieselbe Indikation im diGA-Verzeichnis geben sollte.

Es stellt sich zudem die grundsätzliche Frage, ob der Erstattungsmarkt für diGA-Hersteller auf lange Sicht wirtschaftlich attraktiv ist. Die Höhe der noch zu verhandelnden Vergütungsbeträge könnte beispielsweise hinter denjenigen Vergütungsbeträgen zurückbleiben, welche im Rahmen von Selektivverträgen mit den Krankenkassen gesondert zu erzielen wären.

 

Veranstaltungshinweis:
Für Mitglieder des BMC veranstaltet die AG Digital Health unter der Leitung von Frau Rechtsanwältin Dr. Dominique Jaeger am 18. März 2020 in Berlin ein Werkstattgespräch zum Thema „DVG, DIGAV, ePA, PDSG – Jetzt das DVG auf die Straße bringen!“. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldungen unter: https://www.bmcev.de/event/ag-digital-health-7/