Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.07.2023 – B 6 KA 5/22 R –
Die Klägerin ist Trägerin eines seit April 2011 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit zwei angestellten Laborärzten. Das MVZ rechnete zunächst durchschnittlich über 8.000 Fälle pro Quartal ab. Im Quartal 3/2013 reduzierten sich die Fallzahlen erheblich; im Quartal 4/2013 wurden keine und in den Folgequartalen nur vereinzelt Fälle abgerechnet. Nachdem der Zulassungsausschuss im Februar 2014 Kenntnis erlangt hatte, dass die Laborräume des MVZ seit einem halben Jahr leer stünden, hörte er die Klägerin zu einer möglichen Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an. Die Klägerin beantragte hierauf die Genehmigung, den Vertragsarztsitz mit Wirkung vom 03.04.2014 nach G. zu verlegen. Die Verhandlungen über die Mitbenutzung der Laborräume in G. hätten sich bis zum Vertragsabschluss im Februar 2014 verzögert. Der Zulassungsausschuss entzog dem MVZ der Klägerin mit Wirkung vom 03.07.2014 die Zulassung.
Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin zurück und lehnte den Sitzverlegungsantrag ab. Das MVZ habe seine vertragsärztliche Tätigkeit mindestens seit dem Quartal 4/2013 nicht mehr ausgeübt.
Das Sozialgericht hat den Bescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Verlegungsantrag der Klägerin erneut zu entscheiden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin war erfolgreich.
Nach Auffassung des Bundessozialgerichts habe das Landessozialgericht zu Unrecht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nicht vorgelegen. Dieser habe den grundsätzlichen Vorrang der Ruhensanordnung vor einer Zulassungsentziehung im Fall der Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht hinreichend beachtet. Soweit die Ruhensanordnung zusätzlich erfordere, dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist zu erwarten ist, bedürfe es einer Prognoseentscheidung. Der noch zeitlich vor der streitigen Zulassungsentziehung gestellte Sitzverlegungsantrag hätte in diese Prognoseentscheidung einbezogen werden müssen, wie auch alle Umstände, die für oder gegen eine zeitnahe Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit am neuen Sitz sprachen.
Fazit: Das BSG hat bestätigt, dass an eine Entziehung der Zulassung hohe Anforderungen zu stellen sind. Dennoch ist zu beachten, dass die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung die kontinuierliche Erfüllung des Versorgungsauftrags umfasst. Bestehen damit im Einzelfall Probleme, so sind die richtigen formaljuristischen Schritte einzuleiten, um einen Verlust der Zulassung zu verhindern.